by janinemzffm
Die leise Stimme irgendwo in meinem Hinterkopf, die ich eigentlich so gut unter Kontrolle habe, dringt auch heute wieder zu mir durch. Dabei bin ich doch gerade so erfolgreich. Aber bin ich das wirklich? Wer entscheidet das? Und wer entscheidet das für mich? Sind wir selbst nicht immer noch unsere größten Kritiker?
Ein neues Sankey. Diese Dinger habe ich erst durch Reddit kennengelernt. Die bunten Farben faszinieren mich und ich schaue mir doch recht gerne an, wofür andere Leute ihr Geld so ausgeben. 0,99 Cent im Monat für die Apple Cloud? Pah. Weiß der überhaupt, wie viel Geld die damit machen? Na ja, nicht mein Bier, nicht mein Geld, ich verkneife mir den Kommentar, scrolle weiter, denke mir meinen Teil, denn im Grunde genommen geht es mich nichts an. Ich zahle für Apple Music, für Disney Plus, für Netflix, das macht mir nichts aus, denn ich kann es mir leisten und merke eigentlich gar nicht, dass diese Beträge monatlich von meinem Konto abgehen. Was sind schon die paar Euro? Aber bin ich dann wirklich besser als der, der einen Cloud-Service für mickrige 0,99 Cent nutzt? Wahrscheinlich nicht.
Und eigentlich gehts mir doch schon gut, aber optimieren kann man immer was, oder? Wo fängt man an, wo hört es auf? In der Spüle steht ein Eimer. Die Regentonne ist seit Wochen leer, so kann ich das Wasser zumindest nochmal nutzen. Die Blumen sehen super aus, scheint ihnen zu bekommen. Freude macht sich breit, auch wenn es mir ehrlicherweise nicht um die Centbeträge geht, die ich hier einspare, sondern um Wasser, welches nicht verschwendet wird. Die kostbare Ressource. Ich schweife ab und denke wieder einmal darüber nach, wie lächerlich klein meine Luxusprobleme plötzlich erscheinen, wenn man das große Ganze betrachtet. Sauberes, trinkbares Wasser, wann immer ich will, rund um die Uhr, so viel ich brauche. In anderen Ländern würde man vermutlich dafür töten. Und wieder merke ich, dass ich mich doch eigentlich gar nicht beschweren kann.
Ich musste nie hungern, hatte immer ein Dach über dem Kopf. Bin ich damit nicht schon reicher als so viele andere? Ich bin dankbar und ein Gefühl von Demut macht sich breit. Und irgendwie kann ich mich dafür gerade selbst nicht leiden. Seht sie euch an, die Frau Schickhose, hallt es in meinem Kopf.
Ein paar Stunden später scheint alles wieder vergessen. Der philosophische Exkurs hat mich kurz wehmütig werden lassen, aber das ist jetzt auch egal. Irgendwie wird schon wieder alles teurer, oder? Der Einkaufskorb ist nur halb gefüllt, trotzdem zahle ich an der Kasse des Discounters mehr als mir lieb ist. Früher, so habe ich Omas Stimme im Kopf, ja, früher war der Korb prall gefüllt und das für 50 Mark! Ich schaue meine Ausbeute an, die plötzlich so lächerlich auf mich wirkt. Ein bisschen Obst, Gemüse, die Nudeln waren im Angebot. Während ich gedankenlos die Snacks vom Band nehme, deren Preise ich mir nicht einmal angeschaut hatte, wird mir wieder klar: passt schon so, ich kann es mir ja leisten. Und gearbeitet habe ich auch dafür. Nimm das, blöde, innere Stimme.
© janinemzffm 2024-02-24