Du sitzt neben mir, hältst meine schwitzige Hand in deiner. Ich weiß gar nicht, wohin mit mir, so aufgeregt bin ich. Ich spüre die Blicke der Zuschauer:innen in meinem Nacken.
Warum müssen wir auch unbedingt in der ersten Reihe sitzen? Mir ist heiß und kalt. Wie habe ich mich überhaupt schon wieder in eine solche Lage bringen können? Der Sturm an Gefühlen, der durch mich hindurch tobt, lässt mich kaum noch atmen.
Ich kann es kaum fassen, dass ich hier sitze. Zum ersten Mal bin ich überhaupt auf der Buchmesse. Und dann auch noch zu einem solchen Anlass.
Wir sind extra früh losgefahren, um ja nicht zu spät zu kommen. Natürlich auch, um im Vorfeld noch ein bisschen was von der Messe mitzukriegen. Wir haben einen kurzen Blick auf Martin Schulz geworfen, sind in ein paar Metern Entfernung an Marc-Uwe Kling vorbeigegangen und haben eine Bio-Tee-Verkostung mitgemacht. Aber so richtig genießen konnte ich das alles nicht. Dazu war ich einfach viel zu aufgeregt.
Die Minuten bis zur Preisverleihung ziehen sich hin wie zähflüssiger Honig. Ich weiß gar nicht, warum ich überhaupt so aufgeregt bin. Eigentlich habe ich doch schon längst gewonnen, allein dadurch, dass ich hier sein darf – im Finale mit meinem Debüt als Autorin.
Ich muss daran denken, wie außer mir vor Glück ich war, als ich gesehen habe, dass mein Buch zum ‚Buch der Woche‘ gekürt worden ist. Und an den Moment, als ich die Benachrichtigung zu meiner Final-Teilnahme im Spam-Ordner gefunden habe, zu einem Zeitpunkt, als ich das Finale schon längst abgeschrieben hatte.
Und nun darf ich hier sitzen, mit dir an meiner Seite. Die ersten Homestorys der anderen Kandidat:innen sind bereits gezeigt worden. Auf der großen Leinwand tauchen mein Name und der Titel meines Buches auf. Ich spüre das Blut in meinen Ohren rauschen.
Meine Stimme ertönt aus dem Off. Zu hören, wie ich über meine Vergangenheit spreche, über meine Erfahrungen mit Model-Business und Essstörung, zu sehen, wie wir beide uns dankbar anstrahlen, treibt mir die Tränen in die Augen.
Ganz gleich, ob ich den Preis gewinne oder nicht, in diesem Moment weiß ich, dass ich eine Siegerin bin. Ich habe es geschafft, meine Essstörung zu überwinden. Ich habe es geschafft, mich vom Model-Business und der Droge Aufmerksamkeit zu befreien. Und ich habe das wohl Schwierigste geschafft: sämtliche meiner Masken und Schutzpanzer abzulegen und endlich ich selbst zu sein. Glücklich zu sein. Frei zu sein.
(Oktober 2017)
© Kera Rachel Cook 2022-08-30