by Travelbird
Ich bekenne Farbe. Mein Faible für Dinge, die unter die Haut gehen, ist groß. Die Rede ist von Tattoos und Piercings. Körperkunst und ihre kulturellen Ursprünge faszinieren mich als Designerin und Fan für kulturelle Hintergründe. Woher stammen sie? Welchen Zweck erfüllen sie? Was bedeuten sie?
Zwei Tintenbilder darf ich mein Eigen nennen. Gut, dass erste entsteht als Jugendsünde nach einer mallorquinischen Partynacht mit Anfang zwanzig. Ich bereue es bis heute nicht. Ich begleite also meine Freundin als moralische Stütze ins Tattoo-Studio, um es, spontan wie ich bin, mit einem glitzernden Loch im Bauch und einem Tattoo wieder zu verlassen. The MOM was not amused. Zwei Tage kann ich mein Geheimnis verstecken. Doch der 6. Sinn meiner Mutter grenzt ans Übernatürliche. Ich richte mein Krönchen nach einer amtlichen Gardinenpredigt, ob ich Tinte gesoffen habe, und breche mir erst gar keinen Zacken aus der Krone, mich zu verteidigen. Getreu dem Motto »Keep calm and carry on« ziehe ich in mein königliches Refugium, namens Studentenbude, von dannen.
Gut zwanzig Jahre liegen zwischen damals und heute. Ich schlendere mit meinen Freunden aus dem „Bugs Café“ in Siem Reap heraus und hinein ins gegenüberliegende Tattoo-Studio. Wenn mich die Insektenplatte schon nicht aus den Latschen haut, kippe ich auch nicht vor Schmerzen durch die traditionelle Tätowierungskunst um, für die ich mich entscheide. Meine Wahl fällt auf ein Sak Yant Tattoo, das mir mittels Bambusstock, an dessen Ende eine lange spitze Nadel sitzt, von einem langjährig ausgebildetem Mönch von Hand unter die Haut geklopft wird.
Die Khmer des damaligen Großreiches rund um Angkor Wat begründen diese Stilart, die einen Bezug auf Spiritualität, Glauben und Religion nimmt. Angkor Wat war übrigens die erste 1 Million Einwohnerstadt der Welt dank 3-facher Reisernten und einem ausgeklügeltem Bewässerungssystem.
Was sind nun Sak Yant? Yak bedeutet ›klopfen‹. Yantras bezeichnen heilige geometrische Muster, Figuren, Diagramme oder Schriftzeichen, die dem Träger personalisierten Schutz vor negativen Kräften in speziellen Lebensbereichen wie Familie, Beruf, Gesundheit, Geld, Liebe etc. versprechen und spirituell-rituelle Bedeutung haben. Yantras finden sich häufig in Mandalas wieder, während die Schriftzeichen dem Gesang oder Mantra entlehnt sind.
Ein Blick in die Website des Mönchs verrät mir, dass er die lange Ausbildung zum Meister absolviert hat. Er »besticht« in Kambodscha und China mit seiner Kunstfertigkeit. Meine 7 vertikalen Textzeilen starten und enden mit dem sakralen Unalom, einer Spirale, die den Weg zur Erleuchtung symbolisiert. Eine Stunde dauert die schützende Prozedur, die er Mantra summend begleitet. Wir setzten uns vor den Götteraltar, wo er sein Werk abschließend mit Kräutern und Blattgold besiegelt und mich mit einer Art Weihwasser besprenkelt.
Again, the MOM is not amused. Doch ich bin dankbar für mein Schutzschild am Leib.
© Travelbird 2021-03-17