Ich bin seit fast acht Jahren Single. Typen und Situationships kamen und gingen, aber keiner blieb für mehr, sie alle waren nur ein Temporär. Ich schrieb tausende Gedichte und alle gingen an sie, doch Poesie war das nicht, bis vielleicht auf die lyrische Melodie, wenn mein Herz bricht. Ich hatte keine Lust mehr nach der Liebe in Orten zu suchen, in denen sie nicht gefunden werden möchte und fragte mich in einer von vielen schlaflosen Nächten: Was ist Liebe eigentlich? Und was ist sie für mich? Ich dachte lange der Satzanfang „Ich liebe …“ müsste mit „dich“ enden und sich an ein männliches Gegenüber wenden. In unserer Gesellschaft ist Zweisamkeit das Ziel, die Einsamkeit ist immer nur fragil. Doch ich bin gerne einsam und bedeutet gemeinsam nicht auch mit Freunden und Familie schöne Momentaufnahmen zu teilen? Also fing ich an den Satzanfang „Ich liebe …“ niederzuschreiben und fand so viel mehr Bedeutung in den Zeilen.
Ich liebe das Rauschen von neuem Gewässer und das Gefühl von Sicherheit an alten Ufern. Ich liebe die ersten, zarten Sonnenstrahlen im anbrechenden Frühling, das menschelnde Treiben in der sommerlichen Blüte, die leichte Brise im Herbstlaub und die kühle Stille in einer eisigen Winternacht. Ich liebe es, wenn mich ein fremder Passant anlacht. Ich liebe die unendlichen Möglichkeiten jedes neu anbrechenden Tages. Ich liebe den Duft in der Nase des ersten Kaffees, eingefangen in der Stille des Morgens. Ich liebe den kühlen Spritzer im Schanigarten mit Leichtigkeit im Abgang. Ich liebe die nostalgische Röte in jedem Sonnenuntergang. Ich liebe manchmal die Vergänglichkeit, weil sie mich daran erinnert jeden Moment auszukosten. Ich liebe es, wenn einer Person meine Nähe fehlt. Ich liebe das Schreiben und all die in mir schlummernden Gefühle, die dabei zum Vorschein kommen. Ich liebe auf „Ticket buchen“ zu klicken, um mein sehnsüchtiges Fernweh zu stillen.
Und ich liebe Juliana. Meine Kollegin, viel mehr Freundin. Denn an ihr gibt es so viel zu lieben. Ich liebe es mich bei ihr so zu fühlen, als wäre ich nicht zu viel und trotzdem genug. Ich liebe es, dass wir uns gegenseitig unsere philosophisch langen Sprachnachrichten anhören. Ich liebe es jedes Hirngespinst, jeden Gedankenimpuls und Gefühlsschwall mit ihr zu teilen. Ich liebe es, dass sie von meiner Samstagnacht zu meinem Sonntagmorgen wird, bis die Wolken wieder lila sind und am Tag danach unser gemeinsames Deckennest mit Veggie Kebap pure Lebensfreude bringt. Ich liebe es, wie sie wochenlang zuhört, wenn ich nicht aus der Ambivalenz zwischen Herz und Bauchgefühl entweichen kann. Ich liebe es wie viel Liebe sie an einem Tag gibt, wie andere kein Leben lang. Ich liebe ihre aufbauenden Worte, wenn mein Herz erneut bricht. Ich liebe, dass sie mir gezeigt hat, was Liebe ist, weil sie das für mich ist.
Liebe braucht Mut, und davon habe ich oft nicht genug. Doch mit ihr möchte ich mutig sein, denn bei ihr darf alles sein, um wieder ganz zu sein. Echte Poesie, das sind sie und ich.
© Laura Farrensteiner 2022-08-28