Ein gemeinsamer Ausflug von drei lebenslustigen, benachbarten und in vielen Belangen gleichgesinnten PĂ€rchen, der kann durchaus was Erholsames sein. Muss er aber nicht. Vor allem dann nicht, wenn am Abend nach einer Weinverkostung ein Spieleabend am Programm steht, alle in der Runde gewaltig Sitzfleisch haben und dazu wieder reichlich Wein konsumiert wird. Wobei letzteres erklĂ€rbar ist, immerhin findet dieser Abend nicht in irgendeiner verrucht-verrauchten Spielhölle, sondern im Aufenthaltsraum eines burgenlĂ€ndischen Winzerhofes statt. Das Spiel nennt sich SKYJO, ist nach Angaben der Besitzer Galina und Fritz leicht zu lernen und selbst dann lustig, wenn man verliert. Zumindest nicht allzu hĂ€ufig. Die Sitzordnung ergibt sich rein zufĂ€llig aus der Reihenfolge des Eintreffens der angehenden Kontrahenten, doch das Schicksal will es, dass die Ehepartner nebeneinander zu sitzen kommen. Und nachdem im Uhrzeigersinn reihum gespielt wird, sind innerfamiliĂ€re Konflikte unvermeidlich und stellen sich alsbald als WĂŒrze des Abends heraus. Alfons ist von Natur aus ein ruhiger und besonnener Typ. Keiner, der einen Gag nach dem anderen produziert, sondern eher sachliche Inputs gibt. Er kennt das Spiel nicht, so schreibt man sein Schweigen eher dem Umstand zu, dass er sich konzentrieren will. Als er aber von den ersten Runden schon zwei gewinnt, wird ihm der âDeppen-Bonusâ rasch aberkannt, ab nun gelten die strengen Spielregeln auch fĂŒr ihn. Seine jĂŒngst angetraute Silvana ist, was dieses SKYJO betrifft, zwar ebenfalls Neuling, doch bereits nach einer Stunde hat sie nebst den Spielregeln auch drei Achterl vom Gemischten Satz intus und klopft ausnahmslos jeder und jedem der Runde bei Missachtung des Regelwerks krĂ€ftig auf die Finger. Mensch, kann die grimmig dreinschauen, da ĂŒberlegt man sich jeden Spielzug mehrmals, bevor man sich leichtfertig ihren Unmut zuzieht. Auch der meist in sich ruhende, unaufgeregte Nikolaus hat zunĂ€chst keine Ahnung vom Spiel, wird aber schon bald und dazu wiederholt vom GlĂŒcksvogerl besucht. In der aufkeimenden Euphorie geht die Bitte seiner Adriana, er möge doch etwas weniger mit den HĂ€nden gestikulieren oder zumindest sein Weinglas anderswo platzieren, ungehört unter. Mag sein, dass Adrianas schallende Art, Freude oder EnttĂ€uschung beim Ziehen einer Karte zu zeigen, zum Schadensfall beitrĂ€gt, aber wirklich schlimm istâs ja nicht. Nachdem mit vereinten KrĂ€ften die Scherben aufgesammelt und der exquisite Zweigelt aufgewischt ist, gehtâs schon nach wenigen Minuten weiter. Galina ist auch ohne Alkohol mit verwegener SelbsteinschĂ€tzung gesegnet und hĂ€lt sich fĂŒr die beste Spielerin am Tisch. Gatte Fritz wird nicht mĂŒde, dies stets explizit und schmunzelnd zu betonen, vor allem dann, wenn seine Liebste eine ihrer Ă€uĂerst seltenen Fehlentscheidung trifft. Manchmal wĂ€chst sich sein Schmunzeln zu einem satten Rundumgrinsen aus, was Galina ihrerseits spontan mit dem Herausstrecken ihrer niedlichen kecken Zunge quittiert. So sieht wahre, unerschĂŒtterliche Liebe nach 42 Ehejahren aus, daran kann kein Spiel der Welt etwas Ă€ndern.
Es ist kurz vor Mitternacht, als Konzentration und Verlangen nach Wein schlieĂlich doch nachlassen. Das letzte FlĂ€schchen wird ausgespielt und unter lautem Gejohle der âSiegerâ ausgerufen, aber am nĂ€chsten Morgen sind die Ergebnisse ohnehin vergeben und vergessen. Was bleibt, ist die Einsicht, dass das, was sich liebt, unbedingt auch regelmĂ€Ăig necken muss. Sei es beim Kartenspiel oder sonst wie.
© Franz Brunner 2024-11-08