Kapitel 9 – Johanna (1947)

Katrin Moser

by Katrin Moser

Story

Das fünfjährige Mädchen rannte vergnügt im Garten umher und ließ sich schließlich auf der Schaukel nieder, während Johanna gerade dabei war, die frisch gewaschene Wäsche aufzuhängen.

„Mama, kannst du mich antauchen?“

„Klar doch, Schätzchen.“ Sie legte das Hemd zurück in den Korb und ging hinüber zu ihrer Tochter, um die Schaukel in Bewegung zu setzen.

Als die Schaukel genug Schwung erreicht hatte, blieb Johanna noch einen kurzen Moment stehen und sah Sophie zu, wie sie mit einem breiten Grinsen und langem, wehendem Haar durch die Luft sauste. Dann beschloss sie, sich wieder ihrer Wäsche zu widmen, während Sophie ausschaukelte. Zwischen den einzelnen Wäschestücken blickte sie immer wieder zu ihrer Tochter hinüber und lächelt ihr zu. Als sie das letzte Stück aufgehängt hatte und zurück zur Schaukel gehen wollte, war diese jedoch auf ein Mal leer.

„Sophie?“, rief Johanna, bekam aber keine Antwort.

Sofort ging sie ums Hauseck, um nach ihr zu sehen, doch bei dem Anblick, der sich ihr bot, blieb ihr fast das Herz stehen…

Nur wenige Schritte von ihr entfernt stand Tom, der ihre Tochter auf dem Arm hielt und Johanna anstrahle.

„Sie mal, Mama. Papa ist da.“

Zuerst war Johanna unfähig, sich zu bewegen, doch schließlich schaffte sie es, sich aus ihrer Schockstarre zu befreien und rannte mit Tränen in den Augen auf ihre kleine Familie zu.

Minutenlang lagen sich die drei in den Armen und Johanna konnte kaum glauben, dass Tom nach all den langen Jahren, nach all den Briefen und nach all den Tränen und Wünschen, die sie mit dem Wunschbrunnen geteilt hatte, endlich zuhause war. Die fast 6 Jahre, die seit ihrem leidenschaftlichen Abschied und der Abreise von Toms Familie vergangen waren, waren eindeutig zu viele gewesen.

„Gott, ich habe euch so vermisst!“, meinte Tom, zog Johanna noch näher an sich und küsste sie.

„Ich dich auch!“, erwiderte sie und lehnte ihre Stirn an seine. „Aber lass uns in die Küche gehen, dann kannst du mir alles genau erzählen!“

Tom nahm Sophies Hand in seine linke und Johannas in seine rechte und als sie so gemeinsam ins Haus gingen, kam es Johanna so vor, als würde die Sonne in diesem Moment noch etwas heller scheinen als zuvor…

© Katrin Moser 2021-08-15

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