Kinder des Olymp

Gunny Catell

by Gunny Catell

Story
München 1980

Die Welt ist eine tragische Bühne. Wir steigen ein ins Milieu der Gaukler, Gauner, Pantomimen und Komödianten und begegnen vor allem uns. Eine schöne Frau dreht sich im Kreis. Der Schauspieler läuft ihr nach, da er in ihr seinen Schutzengel entdeckt: „Ah, sie haben zurück-gelächelt. Ist das Leben nicht schön! Oh nein, sie können mich doch nicht wieder allein lassen, wir haben uns noch so viel zu sagen.“ Der Theaterdirektor nennt den Pantomimen einen Schwachkopf, einen Taugenichts. Aber er hat wache Augen, die sehen und die schöne Frau retten. Da die Frau ihre Freiheit liebt, wirft sie dem Pantomimen eine Rose zu, als Zeichen ihrer Liebe. Im Theater geht es rund, so wie auf der Erde. „Verzeihen sie, wenn ich sie in ihren Träumen störe. Versuchen wir unser Glück! Ja, darum geht es im Leben.“ Ein Film voll herrliche Dialoge. Ein Traum für mich als Zuhörer. Ich schwebe dahin. Alles Leben wird mir dargeboten. Leben ist Poesie, nicht nur Kampf und Leiden. Des Schauspielers Schicksal ist es die Großen dieser Welt auf der Bühne wieder auferstehen und strahlen zu lassen. Der Pantomime streunt in der Nacht durch die Stadt, um zu sehen – alles! Weil er Künstler ist. Die Menschen wollen nicht, dass man träumt. Vielleicht habe ich auf sie gewartet, Garonne, sie haben mich für immer aufgeweckt. Nein, es wird nur in den Büchern wirklich geliebt. Die Träume sind das Leben. Ich liebe nicht das Leben, ich liebe sie, Garonne. Der Pantomime himmelt eine Statue an. Aber diese sieht ihn nicht an. Sie steigt für einen anderen herab. Baptiste ist verzweifelt. Die ganze Zeit will er sich nun auf der Bühne umbringen – aus unerfüllter Liebe. Aber immer wieder kommt etwas dazwischen. Nie klappt es mit dem Sterben. Welch Unsinn, sagt einer im Publikum. Aber die Leute lieben es. Heute traut sich niemand mehr zu lieben, aus Angst. Alle wollen nur mehr Sex – das ist leichter zu bekommen.          

Wir müssen das Unmögliche tun! Sehen sie mein Publikum da oben am Olymp? Die ‚Kinder des Olymp‘ waren jene Schauspieler, die die Lieblinge des Publikums auf den billigen Plätzen waren, ganz oben auf den Theaterrängen, dem Olymp. Kann die Kunst in einer Welt des Umbruchs ihren Platz finden? Können wir jemals noch ein Paradies auf Erden finden? In diesem Film erahne ich das Paradies noch einmal. Der Film fängt das Spannungsfeld zwischen der Sehnsucht nach einer besseren Welt und der harten Realität des Lebens als Künstler ein. Die Frau wird vor eine schwere Wahl gestellt: Soll sie ihre Ideale der Kunst und der Liebe aufgeben, oder dem Theater treu bleiben? Marcel Carnés grandioser Klassiker, der unter schwierigen Bedingungen illegal im Frankreich der Kriegsjahre entstand, ist reinste Kinomagie. Wie könnte es anders sein, es geht um die große, unerfüllte Liebe, die im Paris des Jahres 1827 die Schicksale der schönen Garance und des hochbegabten Pantomimen Baptiste ineinander verwebt. Ein artifizielles Kunstwerk. Seine Charaktere kehren jedes Mal unsterblich zurück, überraschend, absolut schön. Ich kann nie genug bekommen. Der großartigste Film, der je gedreht wurde. Der Shakespeare des Films. Er ist zutiefst existenziell, spiel-verliebt, aber auch extrem widerständig. Dürfte ich nur einen Film auf die einsame Insel mitnehmen, so wäre es dieser.


© Gunny Catell 2025-02-18

Genres
Humor & Satire
Moods
Emotional, Komisch, Inspirierend, Unbeschwert, Reflektierend
Hashtags