Kot, Kölsch und Karaoke

Christoph Gerster

by Christoph Gerster

Story

„Wat soll das denn?“, rief ein Polizeibeamter aufgebracht seinem Kollegen zu. Direkt neben den Toiletten am Kölner Hauptbahnhof stand ein älterer Mann und ging seinem eigenen Business nach. Ein großes Geschäft, wie es zu offensichtlich war. Mit heruntergelassener Hose ließ er vor den Reisenden, Beamten und leider auch mir Produkte aus eigener Produktion auf den Fliesenboden plumpsen. „Na hören Sie mal…“, legte der Polizist ein Häufchen mehr Bestimmtheit an den Tag, während der Mann sein Häufchen vollendete. Die Situation erschien mir derart absurd, exakt wie in diesen unzähligen Doku-Soaps, die tagtäglich haufenweise im Fernsehen gezeigt werden.

Kurze Zeit später waren wir wieder am anderen Ende der Innenstadt, um etwas Abstand zu gewinnen und die Darbietung besser zu verdauen. Im Biergarten. Mitten im Park. Am See. So lässt es sich in der Perle des Rheinlands aushalten, auch wenn der Park einer wuchernden Wiese und der See einem Mistkübel glich, entschädigte der Sonnenuntergang und natürlich die Gastronomie dafür.

„Wat darf et sein?“, bat die Bedienung des bis auf den letzten Platz gefüllten Gastgarten um ökonomische Bestellungen. So sollte es sein. Im Handumdrehen stand eine Grillplatte und ein Kübel mit Pommes am Tisch, begleitet vom Quotensieger des Abends, dem Lokalmatador…einem kühlen Kölsch. Die Kombination stellte sich als goldrichtig heraus. Der gefüllte Tisch leerte sich allmählich und Luft füllte die Biergläser. Hinter unseren Rücken versank die Sonne über Nordrhein-Westfalen, doch von Nacht konnte keine Rede sein. Es war einer der lauen Sommerabende, die jedes Jahr leider viel zu selten vorkamen. Zu einem wohltemperierten Lüftchen strömte das Zirpen der Grillen und Gelächter der anderen Gäste durch die kleine Oase der Karnevalsstadt und sorgte für südländisches Flair im unerwarteten Moment.

Wir brachen auf in einer Stimmung von Harmonie und Friedlichkeit, um das Kölner Nachtleben an seine Grenzen zu bringen. Schon nach wenigen Minuten spazierten wir von der Idylle des Parks vorbei an einem Freiluftkino für SeniorInnen hinein in die pulsierenden Straßen und betraten das erste Lokal.

Innen wirkte die Bar fast wie ein Atelier eines übermütigen Künstlers. Figuren hingen von der Decke, Gemälde verzierten die Wände und die Cocktails waren während der Happy Hour zum halben Preis. Das Gefühl von Harmonie und Friedlichkeit kroch wieder hervor, alles deutete auf eine gelungene Partynacht hin.

Doch plötzlich stoppte die Musik im Raum und ein Moderator betrat eine mit Glasscheibe abgetrennte Bühne. „Hi, willkommen zu unserer Karaokenacht.“, sagte er, während mir Böses schwante. Als Janine, die erste Teilnehmerin, den Glaskasten betrat und den Song, der auf Englisch sein sollte, anstimmte, verblasste mein Gefühl von Harmonie schlagartig. Sie traf keinen einzigen Ton, doch Janine ließ sich davon nicht beirren.

Wenn das nicht der Grund für die Kopfschmerzen am nächsten Tag war…

© Christoph Gerster 2020-09-12

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