Wenn ich den Schlager Marina von Rocco Granata höre, denke ich stets an das gleichnamige hübsche Mädchen in meiner Gruppe. Als Marina noch die erste Klasse besuchte, lief sie während einer Freizeitstunde, die wir im winterlichen Schulgarten verbrachten, in Windeseile zur Mädchentoilette. Nachdem sie nach geraumer Zeit noch immer nicht zu ihren Spielkameraden zurückgekehrt war, bat ich meine Kolleginnen, auf die Kinder meiner Gruppe achtzugeben, um nach der Schülerin zu sehen.
Als ich den Vorraum der Mädchentoilette betrat, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen! Seelenruhig stand das Mädchen mit aufgekrempelten Ärmeln am Waschbecken und drückte angestrengt ihre dicke, pinkfarbene Winterjacke in das kalte Wasser, das sich im Inneren des Beckens angesammelt hatte. Die gefütterte, nasse Jacke hatte wohl den Abfluss verstopft, deshalb konnte das Wasser durch das kleine Ablaufventil nicht mehr abrinnen. Ihre Erklärung auf meine erstaunte Frage, warum sie denn ihre Jacke wasche, lautete folgendermaßen:
Ich musste ganz dringend Pipi machen. Dabei ist meine Jacke ins Klo gefallen und jetzt ist sie voll Pipi und ich muss sie waschen, denn sonst schimpft meine Mama.
Mit dieser Antwort hatte ich wahrlich nicht gerechnet. Rasch holte ich die Kinder meiner Gruppe in den Pavillon, denn ohne warme Jacke konnte Marina nicht mehr in den kalten Garten zurückkehren. Zum Glück wurde sie meistens von ihrer netten Mutter mit dem Auto abgeholt und die nasse, mit Urin getränkte Jacke würde in der Waschmaschine daheim bestimmt wieder sauber werden. Diese Geschichte blieb natürlich unter uns, denn ich wollte das Kind nicht dem Gespött ihrer Klassenkameraden aussetzen. Im Spätdienst erschien dann nicht die Mama, sondern der Papa, der schmunzeln musste, als er vom Missgeschick seiner Tochter erfuhr. Und es sollten noch zahlreiche Anekdoten mit der oft zu Schabernack aufgelegten Schülerin folgen.
An einem warmen Mai Nachmittag in der Städtischen Bücherei fragte mich Marina mit aufgeregter Stimme: Kannst du nachsehen, ob ich ein Loch im Popo habe?
Schnurstracks beugte sie sich kopfüber zu ihren Sandalen hinunter, zog dabei ihren rosa Rock hoch und streckte mir ihr Hinterteil entgegen. Mit so einer Frage hatte ich nicht gerechnet und ich musste mir das Lachen verkneifen, als mein erstaunter Blick auf ein riesiges Loch in Marinas neuer, blütenweißer Baumwollstrumpfhose fiel, das sich über den größten Teil ihres Allerwertesten erstreckte und durch das ihre bunte Unterhose hervorblitzte.
Diese Strumpfhose war ohne Zweifel mit Nadel und Faden nicht mehr zu retten! Vermutlich war ihre Beinbekleidung beim Herumtoben im Schulgarten zerrissen, was ich Marina nicht verheimlichen konnte, und die kleine Schülerin rief entsetzt: Meine Mama wird schimpfen, wenn die neue Strumpfhose kaputt ist! Ich versprach Marina, ein gutes Wort bei ihrer lieben Mutter einzulegen. Da würden wohl noch mehr Strumpfhosen löchrig werden …
© Silvia Peiker 2020-09-17