Mein Vater und Udo Jürgens

Mein Vater und Udo Jürgens hatten genau eine Gemeinsamkeit: Den letzten Auftritt auf der Party hatten sie immer im Bademantel.

Ich komme aus dem Rheinland. Dort lässt man keine Gelegenheiten zum Feiern aus, und man ist es gewohnt, merkwürdige Outfits dabei zu tragen. Wenn ich also in meinem Elternhaus Partys schmiss, gehörte es dazu, dass meine Eltern zu später Stunde an der Bar saßen. Und weil mein Vater jeden Abend nach dem Duschen in Nachtgewand und Bademantel den Abend verbrachte, tat er es auch auf meinen Partys. Er war ja schließlich zu Hause.

Feiern in meinem Elternhaus waren aus vielen Gründen speziell. Es begann schon damit, dass sie im Betrieb meines Vaters stattfanden, der sich im Erdgeschoss unseres Wohnhauses befand. Bevorzugt an der selbst gemauerten Kaffeebar, an der mein Vater normalerweise mit Kunden sprach.

Es war auch der einzige Ort, an dem er unwidersprochen seiner sehr individuellen Vorstellung von Inneneinrichtung nachgehen konnte. Ich meine, wer sonst hält Riffelblech für einen idealen Fliesenersatz?!

Hinter der Bar hing das Blaulicht einer alten Feuerwehr, das man – mitsamt Sirenengeheul – starten konnte, wenn man auf die Hupe eines alten Mercedes-Lenkrades drückte. Wenn die Party einen so richtig packte, die Stimmung dem Höhepunkt entgegen rauschte, dann war der richtige Moment, um einfach mal beherzt die Hupe zu drücken und die Sirene heulen zu lassen.

An der Ecke zum Flur hing eine Ampel, die er mal auf der Resterampe des städtischen Bauhofes erworben hatte. Wenn das Licht auf Grün stand, war alles bestens. Gelb bedeutete, dass das Ende in Sicht war, und wer bei Rot noch anwesend war, musste beim Aufräumen helfen. Wenn er richtig gut drauf war, sang mein Vater übrigens kurz vor Schluss „Hot Love“ von T-Rex – aber nur vor seinen Freunden, nie vor meinen.

Kein Wunder, dass mich eine Klassenkameradin nach der ersten Party meines Lebens beglückwünschte, dass meine Eltern eine wirklich hübsche Kneipe haben.

Als wir mein Elternhaus vor fünf Jahren verkauften, erreichten mich unzählige Nachrichten von Menschen, die sich an die langen Nächte dort erinnerten. Es tut gut zu wissen, dass ich nicht die Einzige bin, die daran zurückdenkt. Und die weiß: Die Party ist erst vorbei, wenn der Typ im Bademantel singt.