Momentaufnahme

Das Leben ist wie ein Karussell. Es dreht sich unaufhörlich, und wenn wir nicht aufpassen, hören wir auf, die einzelnen Momente wahrzunehmen, denn das Karussell dreht sich immer weiter. Wenn wir aber bewusst versuchen, den Moment zu verinnerlichen, und es schaffen, Momente festzuhalten, ist es, wie wenn man den Auslöser einer Kamera drückt. Die Kamera bzw. das Bild, das durch die Kamera entsteht, ist also nicht die Erinnerung selbst, es ist nur das Medium, das uns dabei hilft, uns an den Moment zu erinnern, in dem es aufgenommen wurde.

So hatte Fritz es als kleiner Junge von seinem Vater einmal erklärt bekommen. Er liebte diese bildhafte Sprache, die sein alter Herr stets verwendet hatte. Als Fritz noch kleiner gewesen war, hatte sein Vater ihn manchmal mitgenommen, wenn er sich wieder einmal “auf die Lauer” gelegt hatte. Stundenlang hatten sie dann darauf gewartet, dass sie ein gutes Motiv erwischten. Meistens hatten sie Tiere fotografiert, was sich anbot, da ihr Haus direkt am Waldrand gelegen war.

Wenn er Sehnsucht nach seinem Vater hatte, ging Fritz raus, um neue Motive zu suchen. Seiner Mutter war das irgendwann nicht mehr recht gewesen. Ihr zuliebe versprach er, mit dem Fotografieren aufzuhören, und machte es nur noch heimlich, sorgsam darauf achtend, dass sie nichts davon mitbekam. Er wollte ihr keinen Kummer bereiten.

Als Fritz’ Vater vor zwei Jahren gegangen war, hatte sie das nicht gut verkraftet. Fritz, der selbst schon 19 gewesen war, kümmerte sich um sie, half ihr in den Stunden der Einsamkeit und machte ihr Mut, dass alles wieder gut werden würde. So wie früher. Ganz wie früher konnte es nie mehr werden. Er wusste nur, dass sein Vater für ihn immer ein Held sein würde. Ein Held, der seine Leidenschaft zu seinem Beruf und sein Talent zu seiner Bestimmung gemacht hatte. Fritz kannte niemanden, der so mutig war wie sein Vater.

Im Fernsehen berichten sie immer von den Soldaten, die in einem Krieg fallen. Keine Namen, nur Zahlen. Sie berichten von Zivilisten, die Opfer irgendwelcher kriegsgeilen Diktatoren werden, und von der zerbröckelnden Infrastruktur des Landes, das gerade zerstört wird.

Die Geschichte derer, die vor Ort ihr Leben lassen, um von all diesen Ungerechtigkeiten zu berichten, bleibt unerzählt.