Niemals wollte ich durch die rote Tür gehen. Sie war für mich wie ein rotes Tuch. Viele Male hatte ich die Praxis auf dem Gutshof durch das große Hauptportal betreten. Die rote kleine Tür ein paar Meter weiter rechts wirkte immer wie ein kleines Schlupfloch, durch das die Aussätzigen hereingelassen wurden. Nun war ich selbst eine Aussätzige. Ansteckend. Gefährlich. Und für mich selbst mit einem Wort zu beschreiben: Hundeelend. Ich hatte schon vier Tage lang im Bett gelegen. Fieber. Gliederschmerzen. Kopfschmerzen der besonderen Art. Das Denken schmerzte. Und der Bauch. Der ganz besonders. Und als in der dritten Nacht sich auch noch ein ungewöhnlicher Durchfall einstellte, bat ich eine mir nahestehende Person, mich zu meiner Ärztin zu fahren.
Da saß ich nun und wartete … wartete … den Stuhl hatte ich noch gerade mit Mühe aufrecht erreicht, als mich fast mein Kreislauf enttäuschen wollte. Ich wartete und wartete. Maske vor der Nase. Was natürlich Vorschrift war. Nach einer kurzen Untersuchung – die Ärztin kennt mich gut – die Verordnung: Schonkost. Bedeutet: eine Kartoffel, ein Möhrchen mit etwas Salz, ein Stippchen Butter höchstens. Weißbrot. Kein Obst. Und dieses Mittel gegen Übelkeit. Und Ruhe halten. Raus durch die rote Tür, kein Umdrehen mehr. Ein Rezept in der Hand und leise Zuversicht im Herzen …
Zwei Wochen später … endlich kann ich wieder an meinem geliebten Schreibtreffen teilnehmen. Ich fühle mich merkwürdig. Wie nach einem Reset. Ein Gedicht soll entstehen. Die Hirnverdrahtungen sind offenbar noch nicht wieder ganz zuverlässig. Ich muss mir einen Stift ausleihen, denn ich habe mein Schreibetui vergessen. Immerhin habe ich mein schönes Buch zum Schreiben dabei. Auch an alles andere habe ich gedacht.
Die Schreibzeit beginnt. Ich suche mir einen Platz im Raum, an dem ich einen Tisch habe, auf dem ich mir aus meiner Thermoskanne einen warmen Tee eingießen kann. Ich sitze bequem in einem dunkelbraunen Ledersessel und beginne …
Nach Corona
in meiner tasse dampft der tee – im sessel weich fühl ich mich gut
die seele leer und weiß wie Schnee – zum dichten fehlt mir noch der mutÂ
im sessel weich sitze ich gut – wo hab’ ich nur mein etui?
zum dichten fehlt mir heut’ der mut – coronakrank war ich noch nieÂ
wo ließ ich nur mein etui? – vernebelt fühlt sich mein gehirn
corona? … hatte ich noch nie – verdrossen streich’ ich mir die stirnÂ
in wolken fühlt sich mein gehirn – die seele strahlt so weiß wie schnee
vergeblich streich ich mir die stirn – in meiner tasse dampft kein tee
© Ulrike Nikolai 2024-09-11