Die Semesterferien verbrachte ich in meinem Elternhaus, in dem gerade eine kleine Katze Einzug hielt. Ihre Besitzerin war umgezogen und konnte sie nicht mitnehmen. Bevor sie also in ein Heim kam oder etwas Schlimmeres mit ihr passieren würde, durfte sie zu den vorhandenen Katern einziehen. Ein mutiger Versuch, aber auch diese drei waren immerhin alle vor dem Tod oder dem Tierheim bewahrt worden.
Dieses kleine Tier jedoch stellte die größte Herausforderung dar. Das getigerte Monster besaß nicht nur die Fähigkeit, die Wände hinaufzulaufen, sondern es stellte es auch gerne unter Beweis und hing sich an die Decke und blieb dort, bis sich kein Mensch mehr im Raum aufhielt. Es dauerte einige Zeit, bis Stups, wie die kleine Katze hieß, sich an uns gewöhnte. Sie machte mich zu ihrer Ersatzmama, was unglücklich war, da ich nur für die Semesterferien da war und damit zu Theater führte, wenn ich nicht da war.
Sie war ein Freigänger, musste aber zunächst im Haus bleiben, da sie umgezogen war und sich erst an das neue Haus gewöhnen musste, da sie sonst nicht wieder nach Hause finden würde. Nach zwei Monaten konnte ich sie immerhin soweit anfassen, dass ich ihr die Katzenleine anlegen konnte, um mit ihr im Garten spazierenzugehen. Sie hatte begriffen, dass ich ihr ihr etwas Gutes tun wollte und sie so wenigstens etwas Freiheit haben konnte.
Es war Dezember und ein richtiger Winter. Der Schnee lag 30 cm hoch und die kleine, dünne Stups versank sofort im Schnee. Ich musste mir ein Lachen verkneifen, weil sie so herzzerreißend aufschrie. Die kleine Terrorkatze, die jeden biß und kratzte, als könne ihr niemand etwas tun, schrie vor ein bisschen gefrorenem Wasser.
Leider hatte ich keine Videokamera zur Hand, es war ein Bild für die Götter. Die Katze war nicht zu sehen, aber immer wieder kam ein kleines Pfötchen zum Vorschein, das über den Schnee hinweg einen Schritt nach vorne machte, nur um wieder im Schnee zu versinken. Schritt für Schritt bewegte sie sich vorwärts. Auf einmal sprintete sie vorwärts und ich hielt die leere Leine in der Hand. Sie hatte irgendwie die Leine, die um ihren Körper gelegt war, gelöst.
Ich stand da und rief und versuchte, sie zu fangen, doch es war aussichtslos. Sie war einfach zu schnell und schon über alle Berge. Traurig stand ich da und wusste nicht, wie ich es meiner Familie beibringen sollte. Auch wenn sie so eine schlimme Katze war, gehörte sie doch schon zur Familie. Stundenlang machte ich mir Vorwürfe und wartete auf meine Familie.
Drei Stunden später hörte ich ein klägliches Schreien vor der Terrassentür. Stups war zurückgekommen. Sie stand nass, frierend und hungrig vor der Tür. Sie stolzierte an mir vorbei zu ihrem Futter und fraß sich satt. Zum ersten Mal ließ sie sich von mir streicheln, wenn auch noch etwas widerwillig und angespannt, aber es schien, als hätte sie unser Zuhause nun als ihr neues Zuhause akzeptiert.
© Aroundtheworld 2022-04-11