Pilgern zu zweit

Eva Baumhauer

by Eva Baumhauer

Story
Galicien 2004

Es gibt einen Ort dort sind wir beide eingetaucht in die Struktur des Dorfes. Wir haben uns aufgelöst und sind einfach zu einem Teil des Planeten geworden. Ich glaube nicht, daß es an diesem Ort selber liegt, er trägt daran keine Schuld, es war im Laufe der vielen Zeit, die wir uns verbunden haben und zwar verbunden über viele Ebenen. Angefangen hat es mit der Sprache, wir können beide mit den Menschen am Camino reden, mögen auch den Dialekt und gewöhnen uns immer mehr an diese Kommunikation am Straßenrand, sogar wenn Autos vorbeifahren ist es so ländlich, daß sie anhalten und uns Glück wünschen wollen, oder weil wir zwei Frauen sind, wecken wir den Beschützerinstinkt in ihnen. Das Essen in den Gasthäusern ist auch immer ähnlich, weil es für Pilger günstig und nahrhaft sein soll, was in Spanien natürlich im duftenden Schinken oder in gebratenen Eiern endet. Die Vegetation wird uns zur Heimat, weil es Frühling ist und alles grünt, erkennen wir die Pflanzen und freunden uns an mit Pinien die uns Schatten geben, oder blühenden Ginsterbüschen an denen wir riechen können. Und weil wir beim einen Fuß vor den anderen setzen immer auch die Erde sehen wird sie ein Teil von uns. Die Elemente die wiederkehren erscheinen uns wie bei einem Bilderbuch die Seiten die wir umblättern, der Erzählstrang besteht. Selbst wenn wir am Horizont die Berge sehen, wissen wir das ist auch ein Teil von uns, wir sind in diese Landschaft hineingewachsen. Und so werden wir immer mehr in der Gegenwart sein. Wir trinken Wasser aus dem Bach der uns begegnet, ohne das wir wissen, ob ein Bach kommen wird, es ist eine Abfolge der Tage, daß wir vertrauen können, es ist jeden Tag Wasser gekommen, wir werden auch heute wieder Wasser finden. Die Richtung des Weges ist auch wie bei einer Schlange die sich windet nicht mehr wichtig, wir fühlen daß der Weg uns weiterträgt auch wenn wir um ein Hindernis herumlaufen müssen, das spielt keine Rolle. So wie bei einem Stein der ins Rollen gekommen ist, die Energie sich weiterzubewegen ist konstant spürbar, wir sind rollend, nicht wie ein Rad sich drehend, sondern wie eben ein Stein, der gar nicht rund rollen muss, sondern der auch poltern kann, anecken wird und trotz seiner Kanten ins Tal hinabkommt. In all dieser Art fließenden Bewegung ändert es nichts zu rasten, wann immer der Rucksack zu schwer wird. So wie ein Fluß in der Kurve langsamer fließt oder gestaut wird durch Verblockungen, bleibt sein Wasser niemals still. In uns drinnen wandern wir im Geiste weiter und sind unterwegs, auch wenn wir ruhen. Und die Entspannung in einer Wiese beim Picknick ist so groß, daß wir einschlafen am Tag, einfach kurz neben dem Weg, weil wir es können, im Schlaf auf dem Weg zu sein. Die die uns aufwecken sind blökende Schafe auf deren Weide wir liegen und die mit ihren mahlenden Zähnen genau das symbolisieren, sie ziehen weiter ohne bestimmte Richtung und sie bleiben doch stehen und schauen in den Himmel. Sie gehören in die Landschaft und wollen nicht weg und so geht es uns, wir liegen gerne auf dem Boden und verbinden uns mit der Erde und gleichzeitig sind wir mit Anfang und Ende des Weges verknüpft, und wissen während wir das Gras berühren das alles Gras sich gleich anfühlt.

© Eva Baumhauer 2025-03-25

Genres
Travel
Moods
Entspannend