Die Wellen schlugen gegen die Bordwand. Durch das stetige Schaukeln erwachte ich. Mir war schlecht, aber ich konnte nicht aus dem Schlafsack rutschen. Endlich erreichte ich die Toilettentür nebenan. Ich kehrte in die Kajüte zurück, um mich anzuziehen. Da kippte das Schiff auf die andere Seite, und ich stürzte auf den Wandschrank gegenüber. Mein Kopf schmerzte und ich schrie: »Anhalten!« Mein Mann Jens blickte durch die offene Luke hinunter. »Ich rutsche hin und her«, rief ich laut. Er stieg die steile Treppe hinab, hievte mich hoch und half mir beim Anziehen. Der wasserdichte Anzug und die Schwimmweste waren unerlässlich. Das Schiff schlingerte weiter. »Wir können nicht anhalten. Du musst auf das Deck.« Wir hangelten uns durch die Kombüse hinauf. Ich setzte mich auf eine Bank. Jens befestigte einen Gurt um mich, damit ich nicht von Bord gespült wurde. Die Insel Vis, auf der wir geankert hatten, lag weit entfernt. Rings um uns nur Meer. Wegen der langen Fahrt zur Küste waren Jens und Claus schon früh losgesegelt. Kaum hatten sie die sichere Bucht verlassen, waren sie dem Sturm ausgeliefert. Claus konnte das Schiff ohne Fahrt nicht ruhig halten. Der starke Wind, Stärke fünf, trieb uns in Richtung Festland. Das Schwanken machte mir nichts mehr aus. Meterhohe Wellen wuchteten uns empor, danach landeten wir wieder in einem Tal. Mit beiden Händen hielt ich mich an den Griffen neben mir fest.
Während der ersten Tage waren wir bei gutem Wind durch die kroatische Inselwelt gesegelt. Jetzt türmten sich dunkle Wolken auf, die Wellen überschlugen sich. Der Sturm blähte die Segel und sie mussten gerefft werden. Jens löste Claus ab. Regen peitschte auf uns herab. Zeitweise segelten wir mit einer Geschwindigkeit von acht bis neun Knoten. Die Küste war noch weit entfernt. Stundenlang saß ich auf meinem Platz und wagte nicht, unter Deck zu gehen. Eine Welle kam erneut auf uns zu. Das Schiff neigte sich bedrohlich zur Seite. Gischt spritzte mir ins Gesicht. Ich schnappte nach Luft und klammerte mich noch fester an die Griffe. Meine Hände waren fast taub. Auf dem Meer ist man den heftigen Kräften nahezu hilflos ausgeliefert. Dies war meine letzte Segelreise, dachte ich bei mir. Als die Windböen etwas nachließen, ging Claus in die Kombüse, um Wasser und Kekse zu holen. Wir waren nicht hungrig, aber durstig. Er rutschte auf dem glitschigen Fußboden aus. Die Geschirrspülflasche hatte sich durch das Schaukeln selbstständig gemacht und war durch den Raum geflogen. Ihr Inhalt hatte sich überall verteilt. Beim Abwasch hatte ich vergessen, den Stöpsel zu schließen und erhielt dafür eine Gardinenpredigt. Vor dem Segeln müssen sämtliche Gegenstände in den Schränken und Schüben verstaut werden.
Der Wind nahm erneut zu, die Segel mussten weiter gerefft werden. Der Bug hob sich teilweise aus dem Wasser und senkte sich wieder. Nach sieben Stunden sah ich steuerbord eine Yacht und einen hellen Streif am Horizont: die Küste. Der Sturm ließ nach, wir setzten die Segel höher und segelten zu unserem Zielhafen Vodice. Insgesamt hatten wir unter Segeln 58,5 Seemeilen zurückgelegt. Die Hafenmole kam in Sicht, der Motor wurde angelassen und die Segel eingeholt. Langsam fuhr das Schiff in das Hafenbecken. Wir hatten die Überfahrt geschafft und gingen an Land. Endlich konnten wir die überstandene Rückfahrt mit einem wohlverdienten Abendessen feiern.
© Elke R. Richter 2024-05-05