Sinnlichkeit und Poesie

Nicolas Kirschbaum (von mir kurz Nick oder mein Allergeliebtester genannt) und ich sind seit etwa 5 Jahren ein Pärchen. Wir begegneten uns zum ersten Mal zufällig auf einer Vernissage bei Paula, meiner besten Freundin. Ich weiß nicht, woran genau es liegt, dass Paula sich so viel besser vermarkten kann als ich. Jedenfalls ist sie jetzt schon jetzt mit ihrer Malerei um Längen erfolgreicher als ich es wahrscheinlich jemals werde. Aber ich schweife vom Thema ab …

Nick, der grünäugige Dichter und Schreiberling, passte mit seinen langen dunklen Locken, seiner schlaksigen Gestalt und seinem verwegenen Dreitagebart allein optisch voll und ganz in mein übliches Beuteschema. Und sein offenes Interesse an mir als deutlich älterer Frau, das er vom ersten Augenblick ganz unverkrampft gezeigt hat, schmeichelte mir. Anfänglich hatte ich große Skrupel, eine Affäre mit dem damals 25jährigen zu beginnen. Doch nach einigen Dates, zu denen ich mich von ihm überreden ließ, verliebte ich mich in sein entwaffnendes Lachen, seinen spitzbübischen Charme und seinen scheuen Rehblick. Inzwischen kann ich mir ein Leben ohne meinen scharfzüngigen Wortmagier, den sensiblen Frauenversteher und Philosophen mit der Narrenkappe gar nicht mehr vorstellen. Auch wenn wir Beide zwischenzeitlich in der Krise steckten, weil wir (auf mein Betreiben hin) gemeinsam in ein altes Haus zogen, in dem es uns leider nicht gelang, unsere ausgeprägte Individualität einem gemeinsamen Ziel zu opfern. Als unsere Auseinandersetzungen sich häuften, beschlossen wir, das Projekt „wilde Ehe“ vorübergehend aufzugeben. Und unserer Partnerschaft zumindest zeitweise den Luxus getrennter Räumlichkeiten zu gönnen.

Inzwischen lebt Nicolas, der als freier Mitarbeiter Kolumnen für eine große Stadtzeitung schreibt, wochenweise bei mir oder in seiner romantischen Dichterklause hoch über den Dächern Kölns. Sodass wir beide die Freiheit haben, uns zu sehen, wann wir mögen. Oder uns kleine Auszeiten voneinander erlauben können. Seit etwa zwei Jahren versucht mein Liebster außerdem, seinen ersten Roman zu schreiben. Doch fragt mich bitte nicht, worüber er schreibt, denn ich habe nicht die geringste Ahnung. Wann immer ich meine Neugierde zeige und ihn dränge, etwas über sein Buch preis zu geben, lächelt er vielsagend und schweigt sich aus. Obwohl er genau weiß, wie sehr ich seine Geheimniskrämerei hasse.