by Krenare N
Vergebung ist eine sehr wichtige und sehr noble Sache. Vergebung ist auch eine sehr komplizierte und spezifische Sache. Man würde meinen, dass wenn es so wichtig ist zu vergeben, sich jemand mal tatsächlich mit dir hinsetzt und dir erklärt wie es geht und wie schwierig es sein kann. Stattdessen ist die Erwartung meist, dass man es einfach können sollte, dass man es einfach lernen wird wie laufen. Aber, auch wenn es unangenehm sein kann das zuzugeben, ist es nicht so leicht zu vergeben, wie man es sich eigentlich wünscht.
Es ist auch nicht gerade eine sympathische oder attraktive Tatsche. „Hey, ich kann nicht leicht verzeihen und öfter hier?“ Das Vergeben ist so verschieden wie die Menschen selbst, was das ganze natürlich nur noch komplizierter macht, was auch sonst.
Aus den Augen aus dem Sinn klappt oft ziemlich gut. Wenn man jemanden lange genug nicht mehr zu Gesicht bekommt, vergeht der Ärger beinahe mit der Person zusammen. Für manche reicht das. Es reicht mit der Wut lange genug allein zu sein, damit man sie nicht mehr da haben will. Wie ein Hausgast, der jetzt genug dein Sofa eingenommen hat. Für andere ist dieser Hausgast aber Teil des Haushalts geworden, er gehört nach einer Weile einfach dazu. Man vergisst wie man sich fühlte, als er gar nie da war. Das macht es umso schwerer loszulassen. Narben erinnern uns an Schmerz aus der Vergangenheit, aber alte, offene Wunden bringen den Schmerz in die Gegenwart und es ist dummerweise extrem leicht, einen Groll mit Verbandszeug zu verwechseln.
Man braucht Vergebung nicht immer um zu heilen. Das ist jedenfalls meine Sicht des Ganzen, dass Vergebung immer ein glücklicheres Leben bringt, ist ein Mythos. Eine gute Nacht Geschichte, die uns allen erzählt wurde in der Hoffnung, dass wir immerzu lieb und nett werden. Aber lieb und nett bringt einen auch nur so weit. Irgendwann verdienen Menschen deine Liebe nicht mehr, irgendwann kommt immer eine Grenze. Wer oft genug über diese Grenze rennt, als wäre es nichts, den sollte man vielleicht nicht wieder hereinlassen. Es hat sich noch nie jemand auf einem blutigen Tatort umgesehen und gerufen: „Ich glaub’, er meinte es nicht so!“
Damit soll es aber nicht heißen, dass Vergebung die naive Entscheidung sei. Vergebung ist so viel. Für den, der seine Wut zu gut kennengelernt hat, kann Vergebung alles sein. Vergebung ist dann der Frühjahrsputz, nach Jahren der Dreckansammlung. Vergebung ist die sanfte Brise, die deine Wange streicht und deine Haare anhebt. Sie ist eine helle Melodie auf dem Klavier. Der erste Atemzug, nach stundenlangem Luft anhalten. Ob jemand nun persönliche Vergebung verdient hat, kommt am Ende auf das Herz des Täters an und auf das des Richters.
Das Schlimme, das wirklich Nervige, ist aber, dass man nie erfahren wird, ob es nun die richtige Entscheidung ist oder nicht, bis man sie trifft. Und selbst wenn man falsch vergeben sollte, kann man immer loslassen und jemandem das Beste wünschen, obwohl man ihn vielleicht nie wieder sehen will. Es könnte kaltherzig erscheinen, aber eigentlich ist es eher lauwarmherzig.
© Krenare N 2025-03-26