Verzweiflung in meinen Ohren

Auf den Straßen werden die Tauben von schreienden Kindern gejagt. Ihre kleinen süßen Füße trampeln abwechselnd. Rechts und links. Links und rechts. Im Takt von kleinen Kinderfüßen. Für einen kurzen Moment werde ich so wütend darüber, dass ich fast laut losschreien muss. Ich bin mir sicher, ich habe so etwas früher nicht gemacht … Das Trampeln meiner Füße im Takt von Kinderfußgetrampel schon. Aber Tauben, die habe ich nicht gejagt. Ich verstehe dich, ich habe das früher auch nicht gemacht. Wann hören sie endlich auf damit, die Kinderfüße? Es schmerzt in meinen Ohren. Ich versuche mich zu beruhigen und ziehe mir mein Käppi etwas tiefer ins Gesicht.

Bis Erdberg sind es noch zehn Minuten. Da wohne ich, umgeben von Bäumen, Blumen und Feldern. Den Traum vom Wohnen im Grünen habe ich mir vor zwei Jahren erfüllt und ich bereue es keine Sekunde. Die Stadtluft habe ich getrost hinter mir gelassen und ich nehme es in Kauf, dass mich der Weg in die Stadt eine halbe Stunde zu Fuß kostet. Heute habe ich zum Glück das Nötigste besorgt. Es sollte also für eine Woche reichen.

Ich setze nun einen Fuß vor den anderen und lausche dem Wind, der in den Bäumen zu rauschen anfängt. Kurze Zeit später stecke ich den Schlüssel in mein Türschloss, die Tür öffnet sich. Ich laufe durch den Flur in die Küche, lasse die Taschen auf den Küchentisch sinken, schaffe es gerade noch in meinen Ohrensessel und

fange an zu weinen.

Ich wache eine kurze Ewigkeit später auf. Zwei verpasste Anrufe und eine Nachricht. Von Amelie. Der Kloß in meinem Hals wird wieder größer.

Sie hat es in den letzten Tagen mehrmals versucht. Ich weiß, ich kann der Konfrontation nicht ewig aus dem Weg gehen. Die Beerdigung ist jetzt zwei Monate her und so lange habe ich meine Freunde schon nicht mehr gesehen.

Es zerreißt mich, weil ich sie vermisse, aber noch mehr vermisse ich den Menschen, der jetzt nicht mehr da ist. Der Mensch, der mich so gut kannte. Nicht der Mensch, mit dem ich die meiste Zeit verbrachte, aber der Mensch, der trotzdem immer da war.