Wohin geht es heute

Als ich die Treppe runterkomme, drückt mir mein Vater ein Brot und eine Wasserflasche in die Hand. Ich trinke schnell ein paar Schlücke von dem Wasser und beiße ein Mal in das Brot rein, bevor ich es einpacke. Zeit, richtig zu frühstücken, habe ich nicht mehr. Stattdessen ziehe ich mir meine Schuhe und meinen Helm an, nehme meinen Rucksack und hole mein Fahrrad aus dem Schuppen. Dann radle ich los zur Schule.

Herr Minino meinte ja gestern, dass ich heute noch ein Gespräch mit ihm und Omar führen muss, doch er sagte nie wann. Ob er wohl gleich vor dem Musik-Raum 2 auf Omar und mich wartet? Nein, das funktioniert gar nicht, da Omar gar keinen Musik-Unterricht mit mir hat, zum Glück. Soll ich vielleicht direkt zu dem Büro von Herrn Minino gehen? Vielleicht hätte ich überprüfen sollen, ob er mir seit unserem kurzen Gespräch gestern eine E-Mail geschrieben hat. Dann wüsste ich jetzt, was ich machen sollte. Ich parke mein Fahrrad also bei den Fahrradständern und öffne auf meinem Handy meine Mails. Tatsächlich, Herr Minino hat mir und Omar heute Morgen um 07:01 Uhr eine E-Mail geschickt. Ich klicke darauf und lese sie durch. Herr Minino schreibt, dass wir beide zu Beginn der zweiten Schulstunde zu seinem Büro kommen sollen, um unser Gespräch fortführen zu können. 

Jetzt mache ich mich also erstmal auf den Weg zum Musik-Raum 2. Dort angekommen, sehe ich direkt Lotte und gehe zu ihr. Heute lächelt sie mich nicht zur Begrüßung an. Stattdessen überkreuzt sie ihr Arme. „Hey, sorry, dass ich dir gestern gar nicht mehr geantwortet habe“, sage ich schüchtern und meine auch jedes Wort. „Ich habe mir echt Sorgen um dich gemacht, Sara. Was ist überhaupt passiert?“, fragt sie schlecht gelaunt. Ich setze mit einem „Also“ an, als Herr Muster, unser Musiklehrer, kommt und den Raum aufschließt. Wir gehen also rein und setzen uns. Herr Muster verschwendet keine Sekunde, sondern fängt direkt mit dem Unterricht an, also flüstere ich Lotte bloß kurz zu, dass ich ihr später alles erzählen werde. Darüber bin ich auch ganz froh, denn das gibt mir noch ein bisschen Zeit, bis ich Lotte beichten muss, dass ich gestern geschwänzt habe. Darauf habe ich echt keine Lust.

Ich reiße mich aus meinen Gedanken und passe auf. Herr Muster fragt gerade, was ein Quintenzirkel ist. Das weiß ich noch aus der neunten Klasse, also melde ich mich. Herr Muster nimmt mich dran und ich erkläre es der Klasse. „Genau richtig“, antwortet er und führt damit fort, eine Merkregel an die Tafel zu schreiben. Die kenne ich zwar schon, notiere sie aber trotzdem in meinem Heft. Musik fällt mir immer total leicht, da ich, schon seit ich klein bin, Klavierunterricht nehme. Manchmal macht das den Musik-Unterricht etwas langweilig, aber immerhin bin ich dadurch die Beste im Kurs. 

Herr Muster schreibt nun eine neue Regel an die Tafel, wir schreiben sie ab und damit ist die Stunde schon so schnell um, wie sie begonnen hat – zu schnell, wenn es nach mir geht.