by Cha
“Oh mein Gott, wie geil ist das denn bitte?!”, schreie ich laut auf, mitten im Bahnhofsrummel. Alle schauen mich an, manche grinsen, andere schütteln entsetzt den Kopf. Mir ist das alles egal, denn schon bald bin ich nicht mehr hier, bald erfüllt sich etwas, von dem ich noch nicht einmal zu träumen gewagt hätte: Ich werde durch die Zeit reisen!
Ich umarme den Losverkäufer, verneige mich vor ihm und drehe mich lachend im Kreis. Freudentränen laufen mir übers Gesicht, ich bin fassungslos. Verwirrt laufe ich durch die Gegend, ich muss mich sammeln. Alles dreht sich, ich fühle mich wie auf der schnellsten und längsten Achterbahn der Welt. Es ist der beste Kick, den ich je hatte. Wer bekommt schon die Gelegenheit durch die Zeiten zu reisen und alles “live” mitzuerleben. Genau, ich!
Am nächsten Morgen stehe ich nach einer kurzen Odyssee der Gleissuche endlich auf besagtem Gleis 0. Es ist seltsam, dass ich von hier nicht die regulären Gleise 1-10 sehe, sondern ganz seltsame verschiedene Gleise 0. Auf einigen kommen gerade Züge an auf den anderen fahren wieder welche ab. Ein ganz normaler Bahnhof eben, bis auf die Tatsache, dass die Züge nach der Abfahrt verschwinden.
“Das war der Jahrzente-Zug”, spricht mich plötzlich jemand an und reißt mich aus meinem Gedankenzug. Ich drehe mich um und erschrecke kurz: Es ist der Losverkäufer! Dieser redet unbeeindruckt weiter: “Hier vorne fährt der Monate-Zug, da der Jahre-Zug, da der Jahrzente-Zug und so geht das weiter bis ganz hinten, wo der Jahrtausende-Zug abfährt. Siehst du?”. Ohne meine Antwort abzuwarten, erklärt er mir, wie die Reise verlaufen wird. Ich komme zwar kaum mit, wage mich jedoch nicht nachzufragen.
“Du kannst bei deiner Reise, je nachdem für welchen der Züge, du dich entscheidest, bis zu zehn Zeiteinheiten zurückreisen, sprich zehn Monate oder eben zehn Jahrtausende. Falls du aussteigen solltest, ist es wichtig den Koffer mitzunehmen und bloß nicht in der jeweiligen Zeit zu vergessen!”
Ich wage mich kaum zu fragen, doch will ich wissen, was passiert, wenn ich meinen Koffer vergesse. “Dann bleibt ein Teil von dir in der jeweiligen Zeit.” Mehr kann er mir nicht sagen. “Einfach nicht vergessen”, schiebt er noch mahnend hinterher.
Ich entscheide mich für den Zug, der durch die Jahrhunderte fährt. Pompeji werde ich damit zwar leider nicht erreichen, aber ich will nicht undankbar sein. Das Personal begrüßt mich nett, nimmt mir den Koffer und mein Ticket ab und begleitet mich an meinen Platz. In jedem der zehn Jahrhunderte, dürfe ich mich für ein historisches Ereignis entscheiden, das ich näher betrachten will. “Einfach auf den Stopknopf drücken”, erklärt mir die freundliche Stewardess und gibt mir eine “Zeitenspeisekarte”.
Der Zug fährt ab…
© Cha 2025-04-19